Cäsarius
Heute nachmittag stand ich in Darmstadt an einer Kreuzung und wartete auf die Straßenbahn. Mit einem mal heulte es hinter mir auf, ein normal fahrender Rettungswagen hatte einen Notruf erhalten und scheuchte mittels Martinhorn den restlichen Verkehr von der Kreuzung. Der erste Gedanke: Die Dinger sind ganz schön laut, wenn man direkt daneben steht.
Im zweiten Gedanken bin ich dann etwas ins Grübeln gekommen. Wahrscheinlich war gerade eben ein Notruf eingegangen, und vermutlich lief in genau diesem Moment die komplette Rettungsmaschinerie eines westlichen Industriestaates an. Ein Rettungswagen stellt das Martinhorn an, und natürlich machen sofort alle Autofahrer Platz. Ein Notarzt klettert irgendwo in sein NEF und ist womöglich noch vorher an der Unfallstelle. Falls nötig, kann ein Hubschrauber angefordert werden. Sind genug Informationen vorhanden, bereitet sich irgendwo eine Notaufnahme auf einen Patienten vor. Falls keine Pannen passieren, ist wenige Minuten nach dem Notruf ein Sanitäter beim Unglücksopfer, und falls nötig, kann es schon in weniger als einer Stunde in einem Krankenhaus auf dem OP-Tisch liegen, wo dann die komplette moderne Medizin zum Einsatz kommen könnte. Vielleicht rettet all dies ein Menschenleben, welches sonst verloren gewesen wäre.
Natürlich ist in der Regel ein solcher Großeinsatz eher nicht nötig, und mitunter kommt jede Hilfe zu spät. Aber es ist ein interessanter Gedanke zu wissen, dass es falls nötig, möglich ist. Ich habe die Verhältnisse in Argentinien gesehen. Natürlich gibt es auch da einen Rettungsdienst, und verglichen mit irgendeinem afrikanischem Bürgerkriegsland laufen die Dinge dort geradezu fabelhaft. Trotzdem: ein solch engmaschiges Rettungsnetz wie in Deutschland gibt es dort nicht, zumal viele Rettungsdienste privat sind. Nicht Mitglied? - Kein Rettungswagen kommt. Dann macht dort auch kaum jemand einem Rettungswagen Platz, wie oft habe ich solche Vehikel mit vergeblich heulender Sirene (die auch echt nicht ernst zu nehmen ist) im Stau stecken sehen. Sanitäterausbildung und -ausstattung, Krankenhausinfrastruktur, all dies ist nicht mit Deutschland zu vergleichen. Mal ganz abgesehen von den Entfernungen, da dauert es mitunter nicht Minuten, bis der Rettungswagen da ist, sondern Stunden. Bei einem typischen Unglücksfall mit Reisebussen sind bis dahin längst alle Opfer verblutet, verbrannt, erstickt oder sonstwie gestorben. Über Hubschrauber habe ich zwar nichts gehört, aber es würde mich sehr wundern, wenn das Land flächendeckend damit versorgt wäre. Als Unfallopfer hat man dort eher schlechte Karten.
Mit all dem will ich nicht Argentinien schlecht machen, sondern mir kam einfach nur in den Sinn, wie verdammt gut wir es in Deutschland eigentlich haben, trotz all unserer Probleme. Und als wie selbstverständlich wir vieles hinnehmen, von dem 90% der Weltbevölkerung noch nicht mal träumen können.
Dann kam aber die Straßenbahn.
26. Oktober 2008 um 20:35 Uhr
Danke.
Ich danke dir dafür, dass du deine “größtenteils irrelevanten” Gedanken hier geschrieben hast, denn sie unterstützen mich; mich als angehenden Rettungssanitäter, der seit Jahren freiwillig in einer großen Hilfsorganisation ist, und oftmals nur schlechte Dinge mitbekommt. Und mich, der oftmals denkt, dass das deutsche System auch seine Macken hat. Aber immer wenn ich irgendwo ins Außland gucke bin ich dann doch froh über die einerseitsBürokratie und andererseits Spontanität hier in Deutschland.